Diese 3 Kurzzusammenfassungen über viel diskutierte Themen in Innsbruck (aber nicht nur in Innsbruck) finde ich sehr interessant. Unterschiedliche Aspekte werden beleuchtet, wobei schon klar ist, dass die Differenzierung nicht alle freut. Alle Artikel sind aus der Tiroler Tageszeitung.
Viel Lärm um leiese Betteln
Egal
ob sitzend in der Innsbrucker Innenstadt oder an Türen klopfend in den
Gemeinden – Bettler gehören in Tirol längst zum Alltag.
Innsbruck –
Beim Thema Betteln gehen die Wogen hoch. Vor allem in Innsbruck wird
seit Monaten kontrovers über ein mögliches Bettelverbot diskutiert. Laut
Landesrätin Patrizia Zoller-Frischauf gab es seit Jahresbeginn, also
seit dem Inkrafttreten des neuen Landes-Polizeigesetzes, in Innsbruck 13 Anzeigen
wegen aggressiven und eine Amtshandlung wegen organisierten Bettelns.
Aktuell, so der Leiter der mobilen Überwachungsgruppe der Stadt
Innsbruck (MÜG), Elmar Rizzoli, gehe man davon aus, dass täglich an die 30 Bettler unterwegs sind.
Aber
nicht nur in Innsbruck stehen Begegnungen mit Bettlern auf der
Tagesordnung. Daniela Schlemmer, Center-Managerin des Einkaufszentrums
Stadtgalerien in Schwaz, erklärt, immer wieder habe ein Mann vor den
Eingangstüren gebettelt, „der ein Bein nachzog. Dabei kann er normal
gehen, das haben wir beobachtet. Schlimm finde ich, dass er auch seine
junge Frau und ein Kleinkind beim Betteln dabei hat. Wir drohen dann mit
Polizei, die kann aber offenbar nur eine Ausweiskontrolle machen.“ Es
gibt laut Schlemmer jedoch auch positive Beispiele: „Jene, die sich
originell verkleidet, sich still und höflich vor dem Center
positionieren und auf ein paar Münzen hoffen.“
Der
Schwazer Bürgermeister Hans Lintner bestätigt, dass es auch in Schwaz
Bettler gibt: „In der Innenstadt und besonders sonntags vor den
Kirchentüren. Wir haben den Verdacht, dass sie organisiert sind. Wir
haben kein Problem mit ihnen. Mit einem gewissen Maß in sichtbarer Form
sollte eine Gesellschaft schon umgehen können.“
„Im
Bezirk Imst wurden im Jahr 2013 26 Personen wegen Bettelei angezeigt,
zwei Verwaltungsstrafverfahren wurden abgeschlossen“, erklärt der
stellvertretende Bezirkshauptmann Andreas Nagele. Heuer zählte er
bislang sieben Anzeigen, die alle im Laufen sind. „Im Durchschnitt
sprechen wir Strafen in der Höhe von 100 Euro aus“, sagt der Beamte. In
der Bezirkshauptstadt Imst scheinen Bettelei, Roma oder illegales Zelten
gar kein Thema zu sein: „Mir ist da nichts bekannt“, so der Imster FPÖ-Gemeinderat Helmut Hirschegger.
Von einer direkten Häufung des Phänomens will auch die Bezirkschefin der
FPÖ, Nadja Benda, nicht sprechen. Was die Bettelei angeht, so
unterscheide sie sich deutlich von jener, wie sie etwa in Innsbruck
stattfindet: „Bei uns gehen sie von Haus zu Haus, während sie in
Innsbruck auf der Straße stehen, sitzen oder knien.“
In
Osttirol sei das Betteln kein städtisches Phänomen. In der Lienzer
Innenstadt seien so gut wie nie am Boden sitzende Menschen zu sehen, die
Geld von den Passanten erbitten würden, sagt Bürgermeisterin Elisabeth
Blanik.
In den kleineren
Umlandgemeinden und am Land sieht es anders aus, weiß die Polizei von
Lienz, Matrei und Sillian. Regelmäßig würden Anrufe kommen, dass Bettler
vor der Tür stünden, heißt es. „Bei uns sind die Leute besonders
sensibel, die nahe der Kirche wohnen“, sagt der Matreier
Postenkommandant Franz Riepler. „Sie haben Angst um den Opferstock.“ Aus
den Gemeinden rund um Lienz komme fast täglich mindestens ein
Beschwerdeanruf, schildert der Lienzer Kommandant Willi Winkler. „Es
sind immer dieselben Leute, die mit einem Bus aus Klagenfurt kommen, um
hier zu betteln. Die meisten stammen aus Rumänien.“ Auch Bernhard
Kollreider von der Sillianer Polizei spricht von häufigen Anrufen aus
der Bevölkerung.
In den
Bezirken Kufstein, Kitzbühel, Landeck und Reutte gebe es so gut wie
keine Bettler, teilten die zuständigen Behörden auf Anfrage mit. (TT)
„Wir werden mit einer Urangst konfrontiert“
Wenn wir Bettler sehen, begleitet uns laut Soziologe Max Preglau eine Mischung aus Angst, Ablehnung und schlechtem Gewissen.
Innsbruck –
Ein Schritt zur Seite, ein kurzer Blick, ein ungutes Gefühl. Wie auch
immer man den Menschen, die wortlos um Geld betteln, gegenübersteht –
Gleichgültigkeit stellt sich beim Anblick der offen zur Schau getragenen
Armut bei den wenigsten ein. „Das ungute Gefühl hat viele Gründe. Unter
anderem kann das eine Urangst auslösen. Es besteht schließlich die
Möglichkeit, sich irgendwann selbst in so einer Situation zu befinden“,
erklärt der Innsbrucker Soziologe Max Preglau. Außerdem sei der Anblick
selten „ein ästhetisches Erlebnis“. Es sei ein Schwall von Emotionen,
der freigesetzt werde: „Dazu zählen natürlich auch schlechtes Gewissen
und Aggression und Ablehnung der bettelnden Person gegenüber.“ Viele
hätten das Gefühl, dass sie zwar helfen sollten, „es aber entweder nicht
wollen oder nicht können“.
Außerdem
löse der Anblick eines Bettlers aus, dass man bestimte Eigenschaften
auf sich selbst projiziere: „Es lenkt die Aufmerksamkeit auf eigene
Schwächen, Anfälligkeiten und die eigene Hilfsbedürftigkeit. Diese
werden einem in einem extremen Ausmaß vor Augen geführt.“
Warum
viele den Bettlern trotz schlechten Gewissens oftmals kein Geld geben?
„Einerseits weil bei vielen eben negative Emotionen wie Ablehnung
aufkommen. Wenn man die Bettler nicht sehen will, dann will man sie
nicht unterstützen.“ Ein anderer Grund könnte aber auch sein, dass
jemand gerade nicht das passende Geldstück bei sich hat. Organisierte
Bettler würden mit einer auf Mitleid zielenden Masche am besten zum Ziel
kommen, sagt Preglau: „Sie stellen Hilflosigkeit mit Demütigkeit zur
Schau, etwa indem sie knien oder ein Kind dabei haben.“ Für Preglau
stellt sich bei der Bettlerproblematik weniger die Frage nach
Einzelschicksalen als vielmehr die Frage nach den Gründen für diese
Entwicklung: „Die Wirtschaftssituation, in der wir sind, ist sehr
schwierig. Armut und Arbeitslosigkeit nehmen zu. Diese Missstände
reichen weit bis in die Mittelschicht hinein. Es gibt enormen
Reformbedarf.“
Eine der
wenigen Studien über das Betteln führte das Institut Helix Austria im
Auftrag des „Runden Tisch Menschenrechte“ in Salzburg durch. Dabei
wurden 120 Bettler in der Mozartstadt auf der Straße und in
Notquartierten befragt. „Es ist anzunehmen, dass die Situation in
Innsbruck jener in Salzburg sehr ähnlich ist“, erklärt Angela Schoibl
von Helix. Was anders sein könne, sei höchstens die Herkunft der
Menschen.
„Dass es sich
um Bettlerbanden handelt, ließ sich nicht bei den Befragungen
nachweisen. Das kann zwar vorkommen, ist aber nicht die Norm“, sagt
Schoibl. Organisiert seien die Menschen schon, aber aus einem anderen
Grund. „Das geschieht eher aus dem Familienverbund oder dem Dorf heraus,
dass man gemeinsam mit einem Auto nach Österreich fährt.“ In einem der
Interviews habe es ein Bettler drastisch ausgedrückt: Solange es ihm auf
der Straße besser gehe als zu Hause, werde er herkommen und betteln.
Essen und Geld auf die Hand, das sei das, was für die Menschen zähle,
sagten die Salzburger Studienautoren. (kaz, mw)
Getrübtes Gefühl von Sicherheit
Experten sind sich einig: Innsbruck ist eine sichere Stadt. Die Präsenz von Drogendealern stört aber das Sicherheitsempfinden.
Von Denise Daum
Innsbruck –
„Wie sicher ist Innsbruck?“ Diese Frage wollte der Verein Junge Stadt
beantwortet wissen und lud Donnerstagabend Experten zur
Podiumsdiskussion. Eine klare Antwort lieferte Stadtpolizeikommandant
Martin Kirchler: „Innsbruck ist sicher.“ So sei in Innsbruck bei den
Einbrüchen ein steter Rückgang zu verzeichnen, im Gegenzug stieg die
Aufklärungsquote der angezeigten Straftaten von 36 Prozent (Jahr 2004)
auf 50 Prozent (2013). Kirchler räumte aber ein, dass die Anzahl der
Körperverletzungen und vor allem der Drogendelikte eklatant angestiegen
ist. Der Stadtpolizeikommandant weiß, wer den Suchtgifthandel in
Innsbrucks Straßen dominiert: die so genannte Nordafrikaner-Szene.
„Durch die massive öffentliche Präsenz dieser Gruppe ist das
Sicherheitsgefühl der Bevölkerung angeschlagen. Ich verstehe auch jeden,
der sich unwohl fühlt, wenn er auf Mitglieder dieser Szene trifft“,
erklärte Kirchler.
„Innerhalb
der rund 80 Personen umfassenden Nordafrikaner-Szene herrscht eine
große Rivalität, die mit harten Mitteln ausgetragen wird“, wie Kirchler
sagte. Übergriffe auf Bürger verüben diese Personen hingegen eher
selten, wenn, dann handle es sich um Diebstähle und Straßenraub mit
mäßiger Gewalteinwirkung. Die Mitglieder der Nordafrikaner-Szene stammen
meist aus den Slums und „kommen für eine bestimmte Zeit hierher, um
Geld zu verdienen“, weiß Kirchler.
Die
Polizei ändere immer wieder ihre Strategie, um gegen diese Gruppe
anzukommen. „Wir verhaften pro Jahr 60 Personen aus dieser Szene. Aber
es kommen andere nach. Die Gruppe wird jährlich ausgetauscht“, sagte
Kirchler.
Strafrechtsprofessor
Andreas Scheil hält Innsbruck für „ziemlich sicher“. Zur Eindämmung des
Suchgifthandels schlägt er eine Legalisierung von Cannabis vor. „Das
Geschäft ist für die Nordafrikaner-Szene ist nur deshalb so lukrativ,
weil Hasch verboten ist“, sagt Scheil. Strafen raufzusetzen, sei keine
Lösung, vielmehr brauche es eine „gescheite Sozialpolitik“.
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